Was ist die Flussblindheit?


Bei der Flussblindheit handelt es sich um eine heimtückische Tropenkrankheit, die vor allem in den tropischen Regionen Afrikas sowie Mittel- und Südamerikas verbreitet ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass etwa eine halbe Million Menschen aufgrund der Onchozerkose erblindet oder in ihrer Sehfähigkeit stark eingeschränkt sind1. Nicht nur dieser Tatsache verdankt sie ihre Bezeichnung Flussblindheit, sondern auch, weil sie sich insbesondere an fließenden Gewässern wie Flüssen wohlfühlt. Dabei fungiert die Kriebelmücke nur als eine Art Zwischenwirt. Die eigentlichen Übeltäter sind Fadenwürmer, die die Mücken beim Stechen übertragen und die sich dann im Körper ihres Opfers ausbreiten.

Wie wird die Flussblindheit übertragen?


Es beginnt mit einem Biss der Kriebelmücke: Sticht diese einen bereits mit Onchozerkose infizierten Menschen, kann sie dabei kleine Larven des Fadenwurms Onchocerca volvulus (Mikrofilarien) aufnehmen und an ihr nächstes Opfer weitergeben. Die Larven gelangen dabei über den Speichel der Kriebelmücke in die Bisswunde und verbreiten sich über das Blut im ganzen Körper des Menschen; bevorzugt nisten sie sich jedoch im Bindegewebe ein. Dort reifen die Larven zu Fadenwürmern heran und bilden von außen sichtbare Hautknoten, sogenannte Onchozerkome.

Ausgewachsene weibliche Fadenwürmer werden im Durchschnitt 30 bis 40 Zentimeter lang, die Männchen zwei bis sieben Zentimeter. Nach etwa einem Jahr sind die Fadenwürmer geschlechtsreif und produzieren fleißig Nachkommen – pro Weibchen etwa 1.000 neue Mikrofilarien (Larven) täglich. Diese begeben sich sogleich auf Wanderschaft im ganzen Körper. Betroffene merken zu diesem Zeitpunkt meist die ersten Symptome. Die Fadenwürmer können mehr als zehn Jahre im Körper eines Menschen überleben.

Gut zu wissen:

Die Überträger-Mücken halten sich bevorzugt bei fließenden Gewässern auf, da sich hier ihre Brutstätten befinden. Um Eier produzieren zu können, benötigen die weiblichen Kriebelmücken mindestens einmal am Tag eine Blutmahlzeit.

Flussblindheit: Symptome der Onchozerkose


Anfangs zeigt sich die Flussblindheit in eher unspezifischen Symptomen wie Hautausschlägen oder starkem Juckreiz. Diese Symptome sind eine Abwehrreaktion des Immunsystems. Ein erstes charakteristisches Merkmal sind die zentimetergroßen, meist schmerzlosen Knoten im Bindegewebe (Onchozerkome) unter denen sich ausgewachsene Fadenwürmer ansammeln. Die Erhebungen lassen sich vor allem im Bereich der Brust, am Becken oder am Kopf ertasten.

Weitere mögliche Flussblindheit-Symptome sind:

  • Veränderung der Haut und Hautfarbe (Leopardenhaut): Die Fadenwürmer strapazieren die Haut, wodurch die Elastizität stark abnehmen und herunterhängende Hautfalten entstehen können. Ebenso ist eine Veränderung der Hautpigmentierung stellenweise möglich.
  • Vergrößerung der Lymphknoten: Durch die Onchozerkome können sich Lymphgefäße entzünden und starke Schwellungen, vor allem in der Leistenregion, verursachen.
  • Haut- und Gefäßentzündungen: Außerdem kann es zu Entzündungen der Haut (Abszesse) oder der Blutgefäße (Vaskulitis) kommen.

Erst nach einigen Jahren ohne Behandlung befallen die Fadenwürmer die Augen und können verschiedene Augenerkrankungen wie Entzündungen der Bindehaut oder Hornhaut hervorrufen. Diese gehen mit Symptomen wie Brennen, Rötung der Augen, Lichtempfindlichkeit, Jucken oder Fremdkörpergefühl im Auge einher. Bei schweren Fällen einer Hornhautentzündung vernarbt die Hornhaut auch derart, dass sich die Linse eintrübt. Außerdem kann infolge der Onchozerkose der Sehnerv geschädigt werden. Gesichtsfeldausfälle bis hin zur völligen Erblindung sind möglich. Das betrifft in den meisten Fällen beide Augen.

Ganz allgemein sind Menschen, die an der Flussblindheit erkrankt sind, anfälliger für Infektionen, da das Immunsystem durch die Reaktion auf die Parasiten geschwächt ist.

Sozioökonomische Folgen der Flussblindheit

Neben dem gesundheitlichen Aspekt hat die Flussblindheit auch dramatische wirtschaftliche Auswirkungen. Einerseits verursacht die Erkrankung von weiten Teilen der Bevölkerung hohe Gesundheitskosten für ohnehin arme Länder, anderseits können viele Betroffenen keine Arbeitsleistung erbringen. Außerdem verlassen Bewohner oftmals fruchtbares Land in der Nähe von Flüssen, um sich vor den Kriebelmücken zu schützen.

Flussblindheit: Diagnose von Onchozerkose


Die Diagnose der Flussblindheit kann durch verschiedene Maßnahmen erfolgen. Erste Erkenntnisse gewinnt der Arzt über das Patientengespräch. Zum Beispiel liefern die letzten Reiseorte, auch wenn sie bereits einige Jahre zurückliegen können, für den Arzt wichtige Hinweise. Kommt der Arzt aufgrund der Symptome auf den Verdacht, dass es sich um die Onchozerkose handeln könnte, wird dies durch eine Blutuntersuchung überprüft. Bei einer Infektion mit der Parasitenkrankheit sind Antikörper gegen die Wurmbestandteile nachweisbar. Außerdem untersucht der Arzt manchmal Gewebeproben auf Mikrofilarien. Mit einer Spaltlampen-Untersuchung, bei der der Arzt mit einem Mikroskop das Auge betrachtet, kann er besser einschätzen, ob bereits die Hornhaut oder Linse Schaden genommen hat.

Therapie der Flussblindheit


Die Flussblindheit wird mit Medikamenten behandelt, welche die Würmer und Larven abtöten. Hierbei hat sich vor allem ein Arzneistoff aus der Gruppe der Avermectine bewährt. Dieser wurde zunächst in der Tiermedizin angewendet, bis der US-Forscher William C. Campbell und sein japanischer Kollege Satoshi Ōmura das Potenzial dieses Wirkstoffes für den Menschen entdeckten. Dafür bekamen sie den Nobelpreis der Medizin verliehen. Eine Einzeldosis des Medikaments lähmt die Würmer und tötet die Larven ab, jedoch nicht die ausgewachsenen Würmer. Deshalb kombinieren Mediziner die Behandlung meist mit Suramin, einem Mittel, das vor allem gegen die Schlafkrankheit eingesetzt wird, um die ausgewachsenen Fadenwürmer zu vernichten.

Neuere Behandlungskonzepte setzen hingegen auf ein Antibiotikum, durch welche die Fortpflanzung der Würmer verhindert wird. Jedoch muss die Einnahme über einen längeren Zeitraum erfolgen.

Bindegewebsknoten werden heute kaum noch chirurgisch entfernt. Es sei denn, das Onchozerkom befindet sich in gefährlicher Nähe zu den Augen.

Wichtig:

Da die Erkrankung von Würmern und nicht von Bakterien oder Viren verursacht wird, ist ein Impfstoff gegen die Flussblindheit bisher nicht in Aussicht. Zur Vorbeugung ist ein geeigneter Insektenschutz deshalb besonders wichtig. Verwenden Sie in Risikogebieten am besten stets ein Mückenschutzmittel und tragen Sie lange Kleidung.

Erfolg von Hilfsprogrammen im Kampf gegen Flussblindheit


Bei der Flussblindheit handelt es sich um eine Krankheit, die vor allem die Ärmsten der Armen trifft. Diesem Problem nehmen sich seit einigen Jahren einige Hilfsorganisationen an, mit dem Ziel, die Krankheit einzudämmen.

Erste Erfolge erzielte das sogenannte Onchozerkose Control Programm (OCP), dass von 1974 bis 2002 durchgeführt wurde. In diesem Rahmen wurden zunächst großflächig Insektizide per Hubschrauber verbreitet und ab 1989 kostenlose Medikamente gegen die Parasiten verteilt. Die WHO schätzt, dass dadurch mehr als 40 Millionen Menschen erfolgreich behandelt und rund 600.000 Menschen vor dem Erblinden gerettet werden konnten2. Anfang der 90er Jahre wurden außerdem weitere afrikanische und amerikanische Hilfsprogramme zur Kontrolle der Onchozerkose gestartet. Die Initiativen erreichten erstaunliche Erfolge: In mehreren betroffenen Ländern konnte die Flussblindheit komplett ausgerottet werden.

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Miriam Müller Aufgewachsen in einer Familie aus Krankenschwestern und Journalisten, interessierte sich Miriam Müller bereits sehr früh für die Themen Medizin und Medien. Nach verschiedenen Praktika im journalistischen Bereich – unter anderem bei der Deutschen Welle in Washington D.C. – absolvierte sie erfolgreich ihr Masterstudium Kommunikationswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Miriam Müller Medizinredakteurin und Kommunikationswissenschaftlerin kanyo® mehr erfahren
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